Appetit auf Bewegung
Problemstellung
Der Deutsche Sportbund führt in regelmäßigen Abständen zusammen mit der AOK groß angelegte Studien durch, die z.B. bei 10-14-jährigen die sportmotorische Leistungsfähigkeit ermittelt. Danach sinken diese Leistungen drastisch ab: 2002 hatten 10-Jährige nur noch 70% der Leistungsfähigkeit wie vergleichbare 10-Jährige im Jahr 1995, also 7 Jahre zuvor.
Langzeitstudien zeigen, dass heute Kinder in 6 Minuten 860 Meter im Durchschnitt laufen können, während sie vor 20 Jahren bei identischer Versuchsanordnung in derselben Zeit noch 148m im Durchschnitt mehr laufen konnten. Auch die Beweglichkeit hat abgenommen: während vor 25 Jahren die Kinder im Durchschnitt noch Rumpfbeugen machen konnten, die unter die Schuhsohle reichten , erreichen die Probanten heute die Schuhsohle nicht mehr.
Immer mehr bewegungsarme Freizeitbeschäftigungen wie Fernsehen, Video- u. Computerspiele bestimmen den Alltag vieler Kinder . So verbringt heute ein Jugendlicher durchschnittlich sechs Stunden am Tag mit Massenmedien.Die sitzende Verhaltensweise begünstigt die Entstehung der Adipositas.
Es wird mehr gegessen als man verbrennt –die Kalorienaufnahme übersteigt den Verbrauch. Untersuchungen zeigen, das eine tägliche Fehlbilanz von 2%, dies sind 15kj/ Tag – oder 15 Minuten Fernsehen statt Bewegung zur Adipositas führen.
Der Gang durch den Supermarkt bestätigt, wie leicht es ist einer hyperkalorischen Fehlernährung zu verfallen – Fastfood Angebote tun ein Übriges .
Berufstätige Eltern
Wechselnde Partnerschaften
Fehlendes Verantwortungsbewusstsein
Die vom Robert-Koch-Institut 2007 vorgestellten Daten von 17000 Jugendlichen belegen eine Häufigkeit von Übergewicht von 15% im Alter von 3-17 Jahren. Dies sind hochgerechnet 1,9 Millionen Kinder u. Jugendliche. Diese Anzahl belegt eine Zunahme von 50% gegenüber früher erhobenen Zahlen – 1985-99 Kromeyer-Hauschild. Andere Autoren gehen sogar von 25% Adipositasrate aus.Zwei Dinge sind interessant:
- der Übergang vom Kindergarten zur Schule scheint eine kritische Phase der Gewichtszunahme zu sein .
- Gruppen mit niedrigem Sozialstatus u. Migrationshintergrund zeigen höchste Prävalenzraten.
- Der Zusammenhang zwischen Adipositas u. Folgeerkrankungen wie
- Bluthochdruck,
- Fettstoffwechselstörungen,
- Typ2Diabetes
- Beschwerden des Skelettapparates
- sind wissenschaftlich belegt. Gutin konnte zeigen, dass der Fettanteil von 5-6jährigen Kindern einen signifikanten Einfluss auf die Varianz des systolischen Blutdruckes hatte.
Chronische Krankheiten im Kindes- u. Jugendalter nehmen vor allem in westlichen Industrieländern zu. Das höchste Morbiditätsrisiko bezieht sich auf 3 Krankheitsgruppen:Allergien weisen eine Prävalenz von 33% auf.Asthma bronchiale befällt 10%.Es besteht ein paralleler Verlauf zwischen Asthma u. Adipositas. Die Zunahme der Asthmaprävalenz wurde in den letzten Jahren durch zwei Theorien erklärt :
- Westlicher Lebensstil garantiert eine saubere hygienische Umgebung. „Unhygienische Verhältnisse“ in der Umgebung der Kinder sind vorwiegend durch Endotoxine - Wandbestandteile gramnegativer Bakterien – gekennzeichnet. Die Folge: die Asthmaprävalenz bei Kindern aus Bauerfamilien ist deutlich niedriger.
- Beobachtungen haben den Verdacht bestärkt, je aktiver ein Kind, umso mehr wird das Asthmarisiko reduziert. Die Odense-Schulkinderstudie bestätigte die „Bewegungshypothese„ – hier erwies sich das Risiko , Asthma im jugendlichen Alter neu zu entwickeln, proportional abhängig vom Aktivitätsgrad.
Aktivitätsprofile von Asthmakindern in einer urbanen Umgebung im Vergleich zu gleichaltrigen zeigen einen hochsignifikanten Unterschied im Bewegungsverhalten:
Nichtasthmatiker weisen doppelt bis dreifach längere Aktivitätszeichen als Asthmakinder auf.
Umgekehrt zeigen Belastungstests von 11-jährigen Kindern mit Asthma im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen bei der Messung von Langzeitparametern , dass die Asthmatiker genauso leistungsfähig sein können. Nur wenn sie inaktiv sind, fallen die Leistungswerte der Kinder mit Asthma überproportional ab.Die Bewegungshypothese bei der Asthmaentstehung wird weiter durch Untersuchungen an Computer-Kids unterstützt. Computerspielende Kinder atmen wesentlich flacher als z.B. sporttreibende Jugendliche. Sie haben eine niedrigere Seufzerfrequenz.
Seufzeratmungen sind von Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der glatten Bronchialmuskulatur. Sind Seufzeratmungen aufgrund flacher Atmung reduziert, entwickelt sich eine vermehrte Schleimbildung – Reizhusten u. Bronchienschädigung sind die Folge.
Sport u. körperliche Bewegung haben enorme Folgen für die Lern- u. Gedächtnisprozesse. Sie garantieren Nutzung des Gehirnes. Sportlehrer u. Vereinstrainer klagen zunehmend über Koordinationsstörungen bei Kindern – Ball fangen, fehlende Schutzreflexe bei Stürzen etc.Ein vieldiskutiertes Beispiel sind Störungen des Sozialverhaltens. Störungen in der Schule nehmen rapide zu, in der Zeit von 1995- 2000 um 100%. Auffallend ist, dass bei Tagen ohne Schulsport die Störungen des Unterrichts signifikant höher sind u. dass in den Stunden vor dem Schulsport die Störungen des Unterrichtsablauf um das zehnfache höher sind als nach dem Sport.
- Dicke Kinder werden mit Diäten gequält
- Asthmatiker vom Schulsport befreit
- Schwierige Jugendliche schwänzen den Sport, weil der Lehrer wenig Druckmittel hat
- Kurz gesagt man geht gesellschaftstypisch bequeme Wege!
- Ist mein Kind zu dick?
- Bewegt sich mein Kind zu wenig?
Der BMI stellt auch bei Kindern ein akzeptables Maß zur Bestimmung der Gesamtköperfettmasse dar.
Der Body Mass Index stellt die Beziehung zwischen Gewicht in Kilogramm u. Körpergröße in Meter zum Quadrat her. Erwachsene , deren BMI im Bereich zwischen 18.5 u. 24.9 liegt, gelten als normgewichtig, drüber ist man übergewichtig. Ab 30 spricht man von Fettleibigkeit.Weit komplexer ist die Beurteilung des BMI-Wertes bei Kindern, weil hier alterspezifische Veränderungen des BMI, bedingt durch altersphysiologische Veränderungen der Fettmasse.Deshalb gibt es für Kinder u. Jugendliche jeden Alters u. Geschlechtes Referenzwerte. Diese basieren auf einer Stichprobe von 34000 deutschen Kindern u. Jugendlichen . Aus diesem Grunde sind Vergleiche zwischen Individualwert mit Referenzwert auch nur für deutsche Kinder u. Jugendliche aussagekräftig.In der Praxis ist es gebräuchlich, Referenzwerte in Form von sogenannten Perzentilkurven graphisch darzustellen. BMI-Perzentile geben an, wie viel Prozent der untersuchten Personen einen kleineren BMI-Wert haben, der beim jeweiligen Perzentil angeben ist.Die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kinder u. Jugendalter empfiehlt die Anwendung der 90. Perzentile zur Definition von Übergewicht und der 97. Perzentile von Adipositas.Die Bestimmung dieser Werte obliegt grundsätzlich dem Kinderarzt.
